Hoch hinaus, immer wieder davon

von Murmeltieren und Bewahrung

„Auf der Südseite wird es entspannt“ hallt es uns noch in den Ohren, als wir auf dem verschneiten Pass in 2.800 Metern Höhe den Weg nicht mehr sehen. Toni der Wart der ersten Hütte hatte uns (Aaron, Martin, Mathis, Max und Torge) zu unserer Tour beraten, als uns der Schnee auf dem Pass, den wir zu der Zeit nur aus der Ferne sehen konnten, Sorgen machte. Warm ist es dort gewesen, so warm, dass wir in den Bergsee sprangen. Die Tatsache, dass der See noch halb gefroren war, obwohl es nach unser Tourempfehlung noch hieß, dass dieser seit einer Woche aufgetaut sei, hätte uns wohl eine Warnung sein sollen. Aber nun haben wir in der Stille des Berges voll Vertrauen mit Grödeln an den Füßen den steilen schneebedeckten Nordhang der Lochberglücke erklommen.

Das war nicht ungefährlich stellen wir am Abend fest, als wir von der zweiten Hütte aus auf den Pass gucken, währen wir unsere zwei Liter abgekochtes Wasser für acht Franken genießen. Der Hüttenwart Romann kommentiert stumpf, dass er die Route erst Anfang bis Mitte Juli – etwa einen Monat später – guten Gewissens empfehlen würde.

Die nächste Etappe wird aufgrund von Gewitterdrohungen des Wetterberichts am nachfolgenden Morgen ins Tal verlegt und in Teilen getrampt. Dafür besticht die Hütte auf dem Gotthardpass unverhofft mit einem Frühstück. Um die teuren Betten auszugleichen entscheiden wir also, auf auf unser Porridge zu verzichten und uns von den dafür vorgesehenen Zeiten zum Ausschlafen zu zwingen.

Pünktlich um sieben stehen wir Tags darauf also mit gepackten Rucksäcken am Buffet. Ein mit Marmelade beschmiertes Croissant mit extra Butter, ein ordentliches Müsli mit Birchermüsli Topping, ein gekochtes Ei, ein paar Scheiben frisches warmes Brot mit Schweizer Käse, ein paar Scheiben Hefezopf mit Ovomaltine und ein Kaffee, Kakao oder Organgensaft pro Person später rollen wir aus dem Essbereich. Gut, dass es nun erstmal bergab geht. Wir scheinen so träge auszusehen, dass eine Gruppe Murmeltiere, die wir auf dem Weg die noch von den Römern gebaute Straße hinunter treffen, ihren Platz in der Sonne nicht aufgibt, sondern uns stattdessen unter unbeeindruckter Beobachtung durch ihre Mitte passieren lässt.

Neben uns ist hier in den Bergen viel Militär unterwegs. Das macht uns stutzig. Plötzlich fällt uns auf, dass Stefan, ein Soldat mit Schwerpunkt Tarnung uns schon seit Tagen verfolgt. Unbeirrt ziehen wir weiter nach Airolo. Nach einem kurzen Einkauf dort und einem folgenden langen Aufstieg werden wir mit dem bombastischen Ausblick der „Gazonera“ belohnt. Dies ist unsere erste unbewartete Hütte. Wir sind alleine, nur Stefan sitzt als Schornstein getarnt auf dem Dach.

Unser Wecker klingelt am nächsten Morgen um fünf und wenig später laufen wir im Regen hoch zum ersten Pass der ambitionierten Etappe. Als wir schon wieder am Steilhang bis zur Hüfte im Schnee versinken, entscheiden wir, den nächsten Pässen über das Tal auszuweichen. In Zukunft planen wir vorsichtiger zu sein. Das ist sonst wie bei Schnick Schnack Schnuck, mit einem von drei verliert man immer und zwei haben wir bereits gespielt.

Der Umweg beschert uns 1.300 zusätzliche Höhenmeter. Nach 13 Stunden Laufen begrüßt uns der schon besorgte Hüttenwart mit „endlich seid ihr da“, dann hüllt die uns dicht folgende Nebelwand die Hütte ein.

Der nächste Tag ist mit seinen 8,1 km und 900 Höhenmetern nach oben und unten im Vergleich schon fast als Pausentag anzusehen. Wir stehen schon früh an der nächsten Hütte und die Gitarre, die dort zum Inventar gehört, lässt uns den Nachmittag über Singen. Nun hat das halbe Kilo Liederbücher, das Max nun seit Beginn mit sich rumträgt, endlich einen Sinn. Der Ausblick und die Architektur lassen diese Hütte zu unserem Favoriten auf der Tour werden.

Nach Einschätzungen mehrerer erfahrener Wanderer entscheiden wir uns für den Folgetag gegen eine gefährliche Route über drei Gipfel, dünne verbindende Pässe und nasse Steigeisen und steigen stattdessen erneut ins Tal ab. Dann geht es bergauf durch eine Wasserfall Landschaft, vorbei an einer verlassenen Alp zu unserer letzten Hütte, wo wir uns nach dem routinierten Waschen von Körper und Kleidung in der Waschrinne in die Sonne setzen und diesen Artikel schreiben.

Dann bricht auch schon unser letzter Wandertag an. Beim Abstieg durchweichen wir ein letztes Mal unsere Schuhe und trampen dann nach Locarno. Dort läutet Torge mit dem Wechsel von Wanderschuhen zu Adiletten den Beginn des Entspannens ein. Wir schlendern also gemütlich durch die Gegend, springen in das klare Wasser des lago maggiores und setzen uns zum Abendessen in ein Restaurant auf dem gemütlichen Marktplatz. Bei einem Glas guten Wein mit Blick auf die kleinen verwinkelten Gassen in den Bergen im Hintergrund reflektieren wir unsere Fahrt. Wir kommen nicht drum herum, eine Naivität in unserer Planung festzustellen. Ein erfahrenerer Blick hätte uns viele Risiken erspart und doch sind wir mit unseren Entscheidungsfindungen in maßgeblichen Fahrtenmomenten zufrieden. Glücklich über die vielen gesammelten Erfahrungen ziehen wir ein positives Fazit und genießen so den vorerst letzten gemeinsamen Abend in der Schweiz.

Ein Artikel von Alle son bisschen, Bilder: Mathis