Foto: BPS Archiv

Tahdide Padeschai – Bedrohtes Königreich

8. Bundeslager der BPS auf den Spuren Königin Esters

Mit ein paar kräftigen Hammerschlägen nagelt die Stadtwache das Edikt des persischen Großkönigs Xerxes I. an die Anschlagtafel in der Provinz Idumäa. Während die Satrapen, die königlichen Provinzvorsteher, die Botschaft verlesen, breiten sich Unruhe und Empörung unter den meist jüdischen Zuhörern aus: Am 13. Tag des Monats Adar soll die gesamte jüdische Bevölkerung des persischen Reiches vernichtet und ihr Besitz geplündert werden. Gemeinsam mit den Juden aus den übrigen Provinzen zieht die aufgebrachte Masse zur Festung Susa, der Residenz des Königs.

Eigentlich befinden wir uns auf dem 8. Bundeslager der BPS in Großzerlang an der Mecklenburgischen Seenplatte, aber an diesem Tag sind die etwa 650 Lagerteilnehmer eingetaucht in das Jahr 350 vor Christus und erleben das Schicksal der ins persische Großreich verschleppten jüdischen Bevölkerung nach. Bis zu diesem Moment war es den Juden unter König Xerxes I. sehr gut ergangen; viele von ihnen hatten die Ausbildung zu Wesiren erfolgreich durchlaufen und dabei geheime Botschaften entschlüsselt, sich im Kampfe erprobt und ihren Verstand geschärft. Als dann der König seine Frau Waschti verstoßen und jede Provinz eine neue Anwärterin auf den Königinnenthron auserkoren hatte, waren die Wesire ausgezogen, um durch geschicktes Erhandeln von kostbaren Stoffen und wohlriechenden Ölen ihre Kandidatin zu unterstützen. Auch, nachdem die Jüdin Ester zur neuen Königin erwählt worden war, hatten die Juden nicht geruht, sondern den vom König befohlenen Wiederaufbau der Stadt Jerusalem tatkräftig unterstützt. Wieso waren sie nun in Ungnade gefallen?

Die wütende Menge vor dem Königspalast in Susa beruhigt sich erst, als Königin Ester auf Bitten ihres Ziehvaters Mordechai vor dem König für ihr Volk eintritt und dieser den vom Judenfeind Haman ausgeheckten Vernichtungsplan durchkreuzt, indem er der jüdischen Bevölkerung gestattet, sich gegen ihre Feinde zur Wehr zu setzen. So gelingt es den Juden, sich doch noch zu retten – und das muss natürlich mit einem Fest gefeiert werden: Am nächsten Tag verwandelt sich das Lager in einen riesigen Marktplatz, auf dem anlässlich des ersten Purimfests die verschiedensten Köstlichkeiten angeboten werden und Tattoomaler und Masseure ihre Dienste anpreisen.

 Besonders freuen sich die Marktbesucher an diesem Tag aber über den strahlenden Sonnenschein, denn an den ersten Lagertagen hatte Starkregen für verschlammte Wege und überschwemmte Zelte gesorgt. Doch auch, wenn einige der 35 anwesenden Stämme – insbesondere die auf dem als (H)Atlantis bekannt gewordenem Platz H angesiedelten Gruppen – mit Sack und Pack mitten in der Nacht hatten umziehen müssen, war die Stimmung durchweg entspannt und fröhlich gewesen. Für eine ausgiebige Singerunde braucht es schließlich nicht mehr als ein wärmendes Feuer und ein Zeltdach, und auch Workshops von Lederarbeiten über Korbflechten bis hin zu Bogenschießen hatten für Abwechslung gesorgt. Als der Regen endlich nachgelassen hatte, waren viele Sippen zudem am Hajktag in die Umgebung des Lagerplatzes ausgeschwärmt. Zur Auswahl standen dabei unter anderem das Finde-nach-Hause-Hajk, bei dem die Sippen an einem unbekannten Ort ausgesetzt wurden, oder das Vagabunden-Hajk, das die Pfadfinder vor die Herausforderung stellte, sich die Tagesverpflegung durch Tauschen zu erwerben.

Jeden Morgen versammelte sich das Lager zur gemeinsamen Bibelarbeit im großen Versammlungszelt, um sich in Anspielen und Kurzandachten mit dem Buch Ester auseinanderzusetzen. Am Samstag gab es einen großen Lagergottesdienst, dessen Höhepunkt die Taufe eines Norderstedter Pfadfinders im direkt an den Lagerplatz grenzenden Pälitzsee darstellte. Wenn gerade keine Taufe stattfand, lud der See zum Kanufahren und Baden ein. Viele Lagerteilnehmer nutzten die freie Zeit auch, um neue Freundschaften zu den aus ganz Deutschland und sogar aus Dänemark angereisten Kindern und Jugendlichen zu knüpfen oder in der täglich erscheinenden Lagerzeitung die neusten Gerüchte zu lesen.

Der letzte Lagerabend war ein ganz besonderer: Das 25-jährige Jubiläum der Baptistischen Pfadfinderschaft wurde mit einem großen Festbuffet, einer Fotoshow mit Bildern der vergangenen Jahre, lustigen und nachdenklichen Beiträgen, viel Gesang und einem gemeinsamen Abendmahl ausgiebig gefeiert. Manche Gäste waren eigens zu diesem Abend dazugekommen, darunter Gerhard Grabosch, der schon im Vorgängerbund der BPS aktiv gewesen war und jedem Stamm seine guten Wünsche für die Zukunft mit auf den Weg gab. Auch ein Vertreter der methodistischen Wesley Scouts war anwesend; außerdem hatte neben den dänischen Pfadfindern auch eine Gruppe der Kings Scouts am gesamten Lager teilgenommen. Was nicht nur dieses Bundeslager, sondern die gesamte BPS-Arbeit auszeichnet, wurde besonders deutlich in einer offenen Dankesrunde, in der junge und alte Pfadfinder zum Ausdruck brachten, wie sehr sie in der Pfadfinderei ein Zuhause gefunden haben.

So verwundert es nicht, dass beim großen Abschiedskreis am Morgen der Abreise einige Tränen kullerten und viele traurig waren, schon wieder auseinander gehen zu müssen. Ein kleiner Trost ist vielleicht die Gewissheit: Das nächste Bundeslager kommt bestimmt! Dann vielleicht ohne Regengüsse, aber wieder mit ausgelassenen Singerunden, spektakulären Lagerbauten und einer Gemeinschaft, die jeden mit einschließt.

Ein Artikel von tiri