Foto: wolf (Dieter Anders/CPD)

Rückblick: Woodbadgekurs in Metzingen 2019

Der Jubiläumskurs

Wenn es in Zeiten wie diesen unmöglich ist, das Lagerleben zu genießen, mit seiner Sippe auf Hajk zugehen oder an einem Training teilzunehmen, nutzen wir gerne die Möglichkeit, auf vergangene Aktionen zurückzuschauen, hier auf das Woodbadge-Training 2019.

Ich halte das bekannte Gruppenbild des ersten Woodbadgekurses 1919 in Händen und versuche auf dem etwas unscharfen Bild die Gesichtsausdrücke der einzelnen Teilnehmer zu erkennen. Fast in der Bildmitte, die Hände auf einem Gehstock gefaltet, die Beine übereinander geschlagen sitzt Baden Powell – um ihn herum sitzen und stehen 22 Teilnehmer, deren Gesichtsausdrücke kaum Rückschlüsse auf das zurückliegende Training verraten. Viele ernste Gesichter, nur einer grinst ungezwungen in die Kamera. Das Woodbadge-Training war auf jeden Fall solch ein Erfolg, dass es seit 1919 zunächst ausschließlich im Gilwell-Park, später auch in allen Nationalverbänden für erfahrene Pfadfinderführer und -führerinnen angeboten wird.

100 Jahre später stand ich nun am Bahnhof im schwäbischen Metzingen und fragte mich, was wohl in der Kurswoche – der Karwoche - mich erwarten, wie meine Sippe – die Sippe Stier – zusammenfinden und wie wir wohl am Ende der Kurswoche in die Kamera schauen würden.

Im ersten Teil des Woodbadgetrainings hatten wir bereits unsere Führungserfahrung und -tätigkeit mit den Gedanken und Anregungen Baden-Powells abgeglichen und die ersten Kontakte zu der (Kurs-)Sippe hergestellt um uns auf die Kurswoche vorzubereiten. Obwohl wir uns hier bereits via Skype austauschen konnten, so war ich unglaublich gespannt Frauke, Kani, Bambi, Horst, die anderen Teilnehmer und die Kursmannschaft „live“ kennenzulernen.

In einem nahegelegenen Park wurden wir von der Kursleitung begrüßt und bekamen in der Eröffnungsrunde bereits den ersten Impuls auf den Weg zum Kursgelände. Mit den Worten „ Das Leben ist wie ein Baumstamm, egal wie knorrig oder dünn der Stamm ist, man muss immer das Beste aus dem Holz schnitzen was man zur Verfügung hat“  überreichte uns die Kursleitung symbolisch hierfür eine Baumscheibe, die wir während der Kurswoche mit unserem Namen versehen konnten.

Während der Anwanderung konnten wir uns nun endlich persönlich kennenlernen, austauschen und die wunderschöne Schwäbische Alp erwandern. Hier gab es viel zu erzählen, da die Sippe Stier auf Erfahrungen aus den Bünden der Baptistischen Pfadfinderschaft, der Christlichen Pfadfinderschaften Deutschlands, des Bundes der Europapfadfinder in der FSE Alsace und dem Ring evangelischer Gemeindepfadfinder zurückgreifen konnte. Als Zeichen der Sippenzugehörigkeit verteilte ich während einer Pause, die in unserem Bund üblichen Sippenbändel, welche ich im Vorfeld für die Sippe in den Farben unseres Sippenwimpels genäht hatte. Ab jetzt waren Grau-, Grün und Khaki-Hemden, auch optisch eine Einheit.

Gut gelaunt kamen wir schließlich am Kursort, dem Pfadfinderlagerplatzes und -heims der CPD in Metzingen an und begannen, nach einer kurzen Einweisung, gleich mit der Einrichtung unseres Sippenkrals. Wer weiß, wie spannend sich die Zusammenarbeit von „Häuptlingen“ oft gestaltet, der kann erahnen was passiert, wenn diese auch noch aus vier Pfadfinderbünden, mit fünf verschiedenen Erfahrungs- und Wertvorstellungen kommen.

Nach dem gemeinsamen Abendessen fand sich der Kurs 2019 zu einer Vorstellungsrunde zusammen, in der wir nun auch die anderen Kursteilnehmer und die Kursmannschaft näher kennenlernen durften. Der anschließende Singeabend zeigte erneut die Besonderheit dieses Woodbadgetrainings:
Zunächst ertönte bei den bekannten Liedern ein buntes Potpourri an Melodie- und Textinterpretationen der einzelnen Bünde, die sich mit der Zeit zu einem gemeinsamen Lied zusammenfanden. Hier zeigte sich erneut was für mich das Woodbagde-Training so besonders macht, nämlich das Zusammenkommen von Pfadfinderführern verschiedener Bünde aus ganz Deutschland, die bereit sind durch den gemeinsamen Austausch voneinander zu profitieren.

Was ich sehr gut fand war, dass die Kursleitung jedem Teilnehmer bereits am ersten Abend einen eigenen Feedbackpartner zuteilte, der uns während dem Kurs als Ansprechpartner für persönliches und allgemeines Feedback diente. Darüber hinaus bekam jede Sippe einen Mentor, der während der Kurswoche die jeweilige Sippe bei allen möglichen Fragen unterstütze.

So gerüstet starteten wir in das Abenteuer der Kurswoche. Jeder Lagertag lief nach einem festen Raster ab, indem sich theoretische und praktische Einheiten abwechselten, in denen wir angehalten waren uns zu den jeweiligen Themen auszutauschen. Die von der Kursmannschaft vorbereiteten Einheiten wurden von Kursbeiträgen der Teilnehmer ergänzt. So stellten wir unter anderem die Arbeitsweisen in unseren Bünden vor. Das war natürlich sehr spannend und führte zu einem erweiterten Verständnis füreinander. Hier entdeckte man zunächst nicht bemerkte Parallelen der Bünde und konnte neue Ideen für sich und den eigenen Bund mitnehmen.

Besonders gefielen mir die praktischen Arbeiten auf dem Kurs. Was die Kursmannschaft hier vorbereitet hatte – war absolut außergewöhnlich. So schmiedeten wir an einer Feldesse, wir gestalteten Bucheinbände für unsere Logbücher, selbst die Woodbadgeinsignien (Woggle und Lederschnur mit Holzperlen) wurde von uns selbst hergestellt – getreu dem Motto: „Woodbadge ist das, was du daraus machst!“ Ganz außergewöhnlich war die Erfahrung gegen Ende des Kurses, als wir zunächst gezeigt bekamen, wie man einen Fisch schlachtet und ein (bereits totes) Kannichen weidmannsgerecht häutet, ausnimmt und zerlegt. Dass er hier nicht nur um die weidmannsgerechte Technik ging, sondern vielmehr um den bewussten Umgang und Einsatz von Lebensmitteln zeigte sich bei der anschließenden Zubereitung zu einem wahren Festmahl im Sippenrahmen.

In der Mitte der Kurswoche wurde das festgelegte Zeitraster von einem Sippen-Haijk plötzlich durchbrochen. Kurz nach einer Einheit hieß es sich in 10 Minuten abmarschbereit zu machen. Schnell wurden die nötigsten Sachen zusammengepackt und man eilte zum Treffpunkt von dem aus man dann zum Absetzpunkt gebracht wurde. Der Haijk führte uns über zwei Tage durch die schwäbische Alp, vorbei an Burgen, Felsformationen und anderen Sehenswürdigkeiten. Neben diversen Aufgaben die wir hier erledigten, nutzten wir natürlich die Zeit auch um als Sippe dem sonst straffen Zeitraster kurz zu „entfliehen“ und gemeinsam das bereits erlebte zu reflektieren.

Die Zeit verging auf jeden Fall viel zu schnell und als wir uns am Karfreitag zu einem besinnlichen Abend zusammenfanden mischte sich neben der besinnlichen Gedanken auch ein wenig Wehmut hinzu, da das Ende der Kurswoche kurz bevor stand.

Als wir am Ende des Kurses am frühen Morgen, die Sonne war gerade aufgegangen, das Osterfeuer entzündeten, feierten wir gemeinsam Gottesdienst und fanden uns noch einmal zu einem gemeinsamen Frühstück zusammen. Im Rückblick auf den ersten gemeinsamen Abend hatte sich etwas verändert, die Stimmung war sehr gelöst, sehr vertraut, denn in dieser Woche haben sich Pfadfinderführer intensiv kennen- und schätzen gelernt – sind zu einer richtigen Sippe, zu einer Gemeinschaft zusammengewachsen.

 … und ja, auch wir machten ein Gruppenfoto des Kurses – wie vor 100 Jahren – nur eben 2019, nicht nur eins, sondern viele und egal welches Bild ich mir heute anschaue – ich sehe in Gesichter, die strahlen und diese einmaligen Erlebnisse wiederspiegeln.

Ein Artikel von Anni (FSE Alsace)