Foto: balu

Für ein Wochenende durch die Weinberge am Rhein

Freitag, 21 Uhr. Nach einer halben bis fünf Stunden Anfahrt stehen wir uns zum ersten Mal gegenüber und sind bereit, gemeinsam in dieses Hajk-Wochenende zu starten! Das Gepäck wird verteilt, vorsichtshalber schonmal ein Gruppenfoto geschossen, auf dem wir alle freundlich in die Kamera lächeln (wer weiß, wie es nach den ersten Strapazen mit der Gruppenharmonie steht…), dann geht es los! Von unserem Startpunkt in Eltville geht es am Rhein entlang. Als es schon dunkelt, drehen wir vom Fluss ab und beginnen die Suche nach einem Schlafplatz. Plötzlich bemerken wir ein Auto, das uns erst langsam folgt, dann neben uns stehen bleibt und die Scheibe runterfährt. Wir sehen neugierig ins Auto, eine Frau in rosa-weißem Tüllkleid blickt begeistert zurück und freut sich mit einem Blick auf unsere Halstücher: „Ohhh, Pfadfinder!“ Janine, ebenfalls Pfadfinderin, füllt unsere Wasserflaschen auf, bietet uns ihr Klo und eine Tour durchs Dorf mit Besichtigung möglicher Schlafplätze an und gibt uns zum Schluss noch ihre Nummer – falls wir in Schwierigkeiten geraten sollten. Wir sind fasziniert von dieser unerwarteten Gastfreundschaft und finden dann unseren Weg in die Weinberge, wo wir kurz darauf unser Schlaflager aufschlagen. Auch wenn wir keine heiß ersehnte Sternschnuppe entdecken (zählen die alle paar Minuten aus Frankfurt startenden Flugzeuge vielleicht notfalls?), genießen wir bis zum Einschlafen den Blick in den klaren Sternenhimmel.

5.30 Uhr. Die warm aufgehende Sonne kitzelt unsere Nasenspitzen. Ab sechs Uhr läuten regelmäßig die Kirchenglocken. Dennoch lassen wir den ersten Morgen gemütlich angehen, frühstücken entspannt zwischen den Reben und starten dann unseren Weg. Es geht unter der inzwischen regelrecht auf uns herabglühenden Sonne Richtung Kloster Eberbach, unserer ersten Station für heute. Immer weiter steigen wir bergauf, bis gegen Mittag und 300 Höhenmeter später die weißen Konturen des Klosters hinter den Bäumen auftauchen. Wir betreten die Klostermauern und fallen hier zwischen den ganzen Hochzeitsgesellschaften zwar etwas aus dem Dresscode heraus, was uns aber nicht davon abhält, ein schattiges Plätzchen für die Mittagspause zu finden und die Umgebung zu genießen.

Danach geht es weiter – nun sind wir auf der Suche nach dem Rheinsteig, dem wir den Nachmittag über folgen wollen. Kann ja nicht so schwer sein, oder? Nachdem uns drei Leute drei verschiedene Wegbeschreibungen gegeben haben, die alle zwar irgendwohin, aber nicht zum gesuchten Pfad führten, fangen wir an zu zweifeln, ob es diesen Weg überhaupt gibt. Als wir wieder dort landen, wo wir vor zwei Stunden schon waren (echte Pfadfinder eben…), deutet eine ältere Frau auf unsere Halstücher und will wissen, was es damit auf sich hat. Unsere Antwort schockiert sie: „Frauen?! Ich dachte, Frauen dürfen nicht zu den Pfadfindern!“ Wir lachen, sind der lebendige Beweis und erfahren, dass sie als Kind nicht zu den Pfadfindern durfte, ihr Bruder dagegen schon, und das immer sehr ungerecht fand. „Aber jetzt, mit 75, jetzt zeig ich´s ihm und geh doch noch zu den Pfadfindern!“, kündigt sie kampflustig an und wir setzen unseren Weg fort, erleichtert, einer weiteren Seele zum Pfadfinderdasein verholfen zu haben. Endlich finden wir auch jemanden, der uns den Weg zum Rheinsteig weisen kann! „Einfach dort an der Klostermauer den Berg hoch zum Tor!“, heißt es. Was so simpel klingt, erweist sich als unsere größte Herausforderung des Tages. Die Mittagssonne saugt uns die Kräfte aus, 30 Grad lassen den Rucksack und unsere Rücken zu einer untrennbaren Einheit verschmelzen, aber wir kraxeln mutig den Hang hinauf, höher und höher, bis wir tatsächlich das erhoffte blaue Schild erblicken! Mit einem tollen Blick über die grünen Hänge bis runter zum Rhein, ein paar Snacks und nach kurzem Verschnaufen fühlen wir uns bereit, den lang herbeigesehnten Weg zu meistern. Im angenehmen Schatten des Waldes setzen wir unsere Wanderung fort, begegnen dort ein paar Alpacas und am späten Nachmittag geht es wieder bergab Richtung Rhein. In dem nächstgrößeren Dorf brauchen wir nun dringend neue Wasservorräte, was einfach nicht klappen will. Wir schielen schon etwas hoffnungslos auf Janines Telefonnummer – ihr Angebot, uns in der Not zu helfen, steht ja noch – aber dann erweist sich der Betreiber eines Weinausschanks, der sich selbst ein regelmäßiger Kunde zu sein scheint, als hilfreich. Irgendwie glaubt er, dass wir lieber Rhein- als Leitungswasser in unseren Flaschen hätten, aber wir können ihn doch noch vom Gegenteil überzeugen und ziehen weiter. Für den Abend schlagen wir uns wieder in die Weinberge, wo wir ungestört essen und nächtigen wollen. Heute ist der Himmel von dunkeln Wolken überzogen und es ist mehr naiv als wohlüberlegt, als wir uns wieder unter freiem Himmel schlafen legen. Am frühen Morgen fallen die ersten Tropfen auf uns und mit einem Stoßgebet verkriechen wir uns einfach tiefer in die Schlafsäcke – was erstaunlicherweise gut funktioniert! Am nächsten Morgen scheint unerwartet die Sonne und hat den wenigen Regen, der bei uns angekommen ist, schon wieder getrocknet. Wir packen zusammen und machen uns nun wieder auf den Rückweg. Geplant ist eigentlich, direkt am Rhein entlangzuwandern. Aber an mehreren Stellen gibt es Absperrungen aufgrund eines Hochwassers, Bäume stehen jetzt mitten im Fluss und uns wird klar, dass wir den Massen an Regen, die hier angekommen sind, nur wenige Meter bergauf knapp entkommen sein müssen! Das Gewitter, was wir schon das ganze Wochenende befürchtet haben, erreicht uns erst exakt dann, als wir wieder an unserem Startpunkt Eltville eintreffen, besser hätte es nicht kommen können. Wir lassen die Erlebnisse in einem Café noch einmal Revue passieren und der Kellner scheint unseren Gesichtern abzulesen, dass wir einen extra starken Kick benötigen – der Kaffee jedenfalls bringt uns zum Schluss nochmal in eine ganz andere Dimension. Am Bahnhof trennen sich unsere Wege dann wieder – fürs Erste jedenfalls, denn wir fiebern schon unserem nächsten gemeinsamen Hajk im hohen Norden entgegen!

-unterwegs waren: Lea, Charlotte, Leandra & balu