Foto: Nicolas Kerber

Das ÄlKaWE und die Lyrik

Was das erste ÄlterenKaminWochenEnde der Region Mitte mit Gedichten zu tun hat

Das Relami liegt hinter uns, das Regionsthing soeben auch und bis zur Stammesweihnachtsfeier ist es noch weit hin – könnte es einen besseren Zeitpunkt geben, um als Altpfadfinder ein entspanntes Wochenende fernab von herausfordernden Sipplingen, organisatorischen Klimmzügen und anderen Herausforderungen des Mitarbeiteralltags zu verbringen? Als Altpfadfinder der Region Mitte fanden wir: Eindeutig nein! Und so hatten wir uns für das lange Wochenende Anfang Oktober das gemütliche Forsthaus im kleinen Örtchen Willershausen nahe Eisenach gemietet, um dort gemeinsam ein paar Tage zu verbringen.
Bei schönstem Sonnenschein trudelten nach und nach die Teilnehmer ein und wurden von den bereits Anwesenden empfangen, die sich vor dem Haus – wie noch häufiger in den nächsten Tagen – dem Badmintonspiel widmeten. Und nicht nur Altpfadfinder aus der Region Mitte waren willkommen, sondern auch Rover sowie Interessierte aus anderen Regionen. Der jüngste Teilnehmer des Wochenendes brachte es auf nicht einmal zwei Monate. Mit bis zu 15 ½ Personen war das kleine Forsthaus gut besetzt und vor allem im Wohnzimmer, wo abends der Kamin ein wenig Lagerfeuerstimmung verbreitete, mussten wir eng zusammenrücken. Aber da das Wetter an den meisten Tagen gut war, waren wir auch viel draußen unterwegs, wo wir eindeutig Platz genug hatten :-)
Am ersten Tag erkundeten wir die Umgebung, hatten bei der Überquerung der ehemaligen innerdeutschen Grenze eine echte Grenzerfahrung und wanderten bis nach Creuzburg mit der gleichnamigen Burg; zumindest ein Teil von uns – um uns abends einen kulinarischen Hochgenuss zu ermöglichen, hatten die Köche nämlich schon früher wieder umdrehen müssen, aber so kamen alle abends in den Genuss von Nudeln mit zweierlei exzellenten Soßen. Nach dem Essen starteten wir in die Andachtsreihe für das Wochenende: In vier Andachten, die von verschiedenen Teilnehmern vorbereitet worden waren, beschäftigten wir uns mit einzelnen Abschnitten der Bergpredigt und deren Bedeutung für uns.

Foto: Nicolas Kerber

Foto: Frank Dechert

Foto: Nicolas Kerber


Auch der nächste Morgen begann mit strahlendem Sonnenschein über den schon herbstlich bunten Bäumen der Umgebung. Nach dem Frühstück brachen wir auf in Richtung Eisenach und besichtigten die Wartburg, wobei die in den Ausstellungsräumen verbrachte Zeit stark variierte – genau wie die ausgewählten Beiträge des Audioguides: Bei einigen Teilnehmern kam die Kinderführung, deren Beiträge mit einem Esel gekennzeichnet waren, besonders gut an. So viel zum Thema Altpfadfinderwochenende ;-)
Der Burgbesichtigung folgte ein kurzer Abstecher in ein Eisenacher Café. Eigentlich war der Plan, danach die Stadt zu erkunden, aber der leckere Kuchen, der im Forsthaus auf uns wartete, übte eine unüberwindbare Anziehungskraft auf uns auf, so dass wir uns schon bald statt bei einem Standrundgang im Garten des Forsthauses bei Kaffee und Kuchen wiederfanden. Anders als am Abend zuvor waren an diesem Tag nach dem Abendessen – mit dem selbstkreierten Nachtisch „Birne Agathe“ mit Birnen aus dem Forsthausgarten – alle noch wach genug für eine ausgiebige Singerunde. Besonders beliebt war an diesem Wochenende die Theodor-Kramer-Trilogie im Bepeli, die wir immer wieder mit weiteren Gedichten von Theodor Kramer ergänzten, wobei sich leider zeigte, dass das Interesse an Lyrik höchst ungleich verteilt war. Eine Abspaltung des einen Teils zum „LyKaWE“ konnte aber gerade noch verhindert werden :-)
Ausgerechnet am Montag, den wir für unsere Kanutour auf der Werra auserkoren hatten, lagen dunkle Wolken über Willershausen und der anhaltende Nieselregen wirkte nicht gerade motivierend. Sieben von uns nahmen dennoch die Herausforderung an und meisterten die Strecke in Rekordzeit, was auch daran lag, dass sich unsere Hoffnungen auf besseres Wetter während der Tour nicht erfüllten und bei diesem ungemütlich nassen Wetter nicht viel dazu einlud, uns ruhig und entspannt treiben zu lassen. Das war vielleicht auch besser so, denn bei der beeindruckend geringen Strömung der Werra wären wir so vermutlich nie an unserem Ziel angekommen. Zurück im Forsthaus wurden wir nicht nur von einer warmen Dusche, sondern auch von muddis heißem Kakao empfangen – was kann es nach so einer Tour Besseres geben?

Foto: Frank Dechert

Foto: Elisabeth Tänzler


Später wurde dann wieder ausgiebig gespeist, denn auch das Kochteam für den dritten Abend hatte sich nicht lumpen lassen und neben ursprünglich mallorquinischen Gnocchi à la ChristianElli auch noch Applecrumble zubereitet. Nach der aufgrund gewisser Lachanfälle diesmal sehr fröhlichen Andacht widmeten wir uns erneut dem Gesang und einigen lyrischen Sprenkeln. Als es später wurde, zeigte sich, dass die Lyrikliebhaber die größere Durchhaltekraft besaßen, und als sich unser Wohnzimmer bis auf ein kleines Grüppchen geleert hatte, wurden die Verbliebenen sogar noch Ohrenzeugen zweier selbstgedichteter Beiträge.
Nach dem letzten Abend folgte (wenig überraschend) der letzte Morgen unseres ÄlKaWEs. Noch einmal kamen wir zum Frühstück zusammen, bevor wir uns dem gemeinsamen Putzen des Hauses widmeten. Als gestandene Altpfadfinder waren wir dabei so schnell und effizient, dass wir bis zum Erscheinen des Vermieters noch reichlich Zeit totzuschlagen hatten. Aber da die Sonne zumindest teilweise zurückgekehrt war, schafften wir auch das ganz gut. Nach dem obligatorischen Abschlusskreis machten sich die meisten auf den Heimweg. Nur ein paar Hartgesottene hatten noch nicht genug und tauchten zum Abschluss des Wochenendes in die beeindruckende Welt des Besucherbergwerks Merkers ab – ein durchaus lohnenswerter Ausflug, auch wenn dort unten natürlich nicht die Sonne schien.

Foto: Nicolas Kerber

Foto: Frank Dechert


Welche Erkenntnisse nehmen wir nun mit von diesem erstem ÄlKaWE der Region Mitte?
-    Wenn es einmal Nachtisch gibt, muss es immer Nachtisch geben
-    Lyrik ist nicht jedermanns Sache
-    Beim Kanufahren reicht Nässe von unten, auf Nässe von oben kann man verzichten
-    Wir sind ziemlich schnelle Hausputzer
-    Jeder sollte Theodor-Kramer-Lieder singen
Neben diesem Erkenntnisgewinn war es schön, ein Wochenende in gemütlicher Runde zu erleben, Zeit mit Pfadfindern zu verbringen, die man sonst nur selten und in deutlich weniger entspannter Atmosphäre trifft, und vom Alltag abschalten zu können. Es gibt also reichlich Potenzial für eine Fortsetzung – ob mit oder ohne Lyrik, wird sich zeigen :-)


Schon wird uns oft ums Herz zu eng,
es lässt uns niemals ruhn;
wir konnten manchmal im Gedräng
Nicht ganz das Rechte tun.
Lasst in der Runde gehn den Wein,
horcht wie die Zeit verrinnt;
die Menschen werden kleiner sein,
wenn wir gegangen sind.


Theodor Kramer, Trinklied vom Abgang

Ein Artikel von Rike