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6. Bundeslager der BPS 2004

Unterwegs mit Gott - an der Seite eines irischen Prinzen und Mönchs

Zeitlich zurück ins 6 Jahrhundert und geographisch hinüber nach Nordwesten, auf die grüne Insel Irland "reisten" 400 Pfadfinder der Baptistischen Pfadfinderschaft. Tatsächlich genügte es ins malerische Örtchen Rhens bei Koblenz zu reisen um das alle 3 Jahre stattfindende Bundeslager der BPS zu erleben. Ein besonderes Erlebnis war das Große Spiel. Dabei wurde Leben und Wirken des - von den Iren noch heute verehrten - Königssohns und Mönchs Columb spielerisch erlebt und erlitten. Von der Ausbildung im Kloster Moville über seine selbst gewählte Verbannung auf die Insel Hy bis zur Gründung des berühmten Klosters Iona spannte sich der Bogen der historischen Dramaturgie.

Keltische Geschichte hautnah erlebt

"Brude Mac Maelchon, was haben wir mit dir zu schaffen! Siehst du nicht dass wir hier friedlich arbeiten und handeln?" donnerte Abt Columb dem aufdringlichen König der grausamen Pikten, entgegen. Was sich ursprünglich 653 n.Chr. auf der Insel Hy so oder ähnlich ereignet hatte, wiederholte sich Anfang August auf den Höhen des Hunsrück am Rhein. 
Alle drei Jahre findet das Bundeslager der Baptistischen Pfadfinderschaft statt, diesmal nahe dem malerischen Örtchen Rhens, ca. 30km südlich von Koblenz. Im Rahmen des Großen Spiels wurde von 34 Pfadfindersippen 2 Tage lang ein Stück keltischer Geschichte hautnah erlebt. Der Königssohn Columb, der nach dem Wunsch seines Vaters einmal König über alle 5 Provinzen Irlands werden sollte, wird von seiner Mutter zur Ausbildung ins Kloster Moville gebracht. Dort erweist er sich als gelehrigster aller Schüler und wird schließlich - zum Leidwesen seines Vaters - doch Mönch. Besonders im Kopieren und Illustrieren von entwickelt er eine unübertroffene Präzision und Perfektion. Noch heute faszinieren diese verschlungenen, kunstvoll gestalteten Verzierungen, der irischen Kelten viele Menschen. Als Columbs Ziehvater, Abt Finnian, ihm eine aus Syrien stammende lateinische Bibel zeigt, ist Columb wie besessen von dem Gedanken sie zu besitzen. Am Ende nimmt er dafür sogar einen Bruderkrieg in Kauf, bei dem sich die Clans aus dem nördlichen und südlichen Provinzen Irlands erbittert bekämpfen. Am Ende siegen die nördlichen Clans um Columb und feiern ein rauschendes Fest. Noch während die Sieger müde und mit gefüllten Bäuchen erschöpft in ihren Zelten liegen brennt die neu erbaute Klosterbibliothek samt der eben erst eroberten Vulgata. Kriegerische Saxxon aus dem nahen Britannien nutzen die Gunst der Stunde und überfallen die Sieger. Die eben erst mit hohem Blutzoll eroberte lateinische Bibel ist vernichtet. In der Folge all dieser Ereignisse beraten die Kirchenoberen über den Ausschluß Columbs aus der Kirche. Der aber kommt ihnen zuvor und wählt die Verbannung. Hy, eine kleine Insel vor dem schottischen Festland ist das Ziel, zu dem er sich mit wenigen seiner Getreuen aufmacht. Von dort aus will Columb die grausamen Cruthin, die von den Römern wegen Ihrer abschreckenden Bemalung auch Pikten genannt wurden, mit der guten Nachricht des Evangeliums erreichen. Nachdem das Vertrauen der Inselbewohner gewonnen ist, beginnt der Aufbaus des Klosters Iona. Durch den Handel mit fremden Ländern bis in den weit entfernten Orient und die Zuwanderung von begabten Handwerkern Kunsthandwerkern und Künstlern wächst und gedeiht Iona und entwickelt sich zu beachtlicher Größe. Weit über die Grenzen Irlands hinaus wird Iona zum Inbegriff klösterlicher Kunst. Die Kontaktaufnahme zu den Pikten ist mühsam und als der Piktenkönig Brude Mac Maelchon das neu gegründete Kloster Iona stürmt, denkt Columb sein Ende sei gekommen.
 Doch König Brude möchte weder Columb an den Kragen, noch das friedliche Handeln und Wirken der Mönche stören, sondern mehr über den Gott Columbs erfahren. Anlass dafür ist sein Meisterkämpfer, der sich bei einer Machtprobe mit dem Druiden Broichan auf die Seite des Gottes stellte, den er beim Handel mit irischen Mönchen kennengelernt hatte. Durch ein Wunder endet die Machtprobe zu Gunsten des Meisterkämpfers. 

Showacts und großes Spiel

Dieser Abschnitt keltischer Geschichte wurde von 34 Pfadfindersippen aus allen Teilen Deutschlands in insgesamt 6 Spielabschnitten an den beiden Tagen nachgespielt. Die einzelnen Spielphasen enthielten Herausforderungen aus den Bereichen pfadfinderische Fähigkeiten, Kreativität, Bibelwissen, Ausdauer und Geschicklichkeit. Emotionaler Höhepunkt war der Spielabschnitt in dem 300 Pfadfinder die Herausforderung annahmen und den von 100 Rover und Führer verteidigten Hügel und damit den Zugang zur lateinischen Vulgata zu erobern. Beim furchterregend und rhythmischen Kampfgeschrei der Rover und Führer rutsche so manchem Pfadfinder das Herz in die Hose und statt anzugreifen verzog er sich doch tatsächlich wieder in den schützenden Wald. Doch auch das Nachspiel, bei dem die kriegerischen Saxxon eine brennende und explodierende Klosterbibliothek zurück ließen und schreiend im Wald verschwanden beeindruckte all diejenigen, die sich aus ihren Schlafsäcken gequält hatten. Keine Qualen, dafür aber raffinierte Entwicklungsmöglichkeiten hielt das abschließende Handelsspiel bereit, bei dem Iona gegründet und durch Geschäftstüchtigkeit und Taktik zu Ansehen und Größe gebracht werden musste. Im Stile des Spiels "Siedler von Catan" wurden Rohstoffe produziert, gehandelt, ein Hafen angelegt, Handwerkergilden gegründet, sowie wertvolle Skripten und Kunstgegenstände produziert.
 Zwischen den Spielphasen waren die Schauspieler unter den Altpfadfindern gefragt. Mit Showacts schlugen sie Brücken zwischen den einzelnen Spielphasen und sorgten dafür, dass diese geschichtliche Epoche inhaltlich begreifbar und emotional erlebbar wurde. Den Wanderpokal - ein Schmuckschwert, das nach seinem dreijährigen Dasein als Schwert Goliaths nun zum Schwert Columbs wurde - durfte eine Sippe aus der schwäbischen Legoland-Stadt Günzburg mitnehmen.

Pilgerfahrt und Gastfreundschaft

Selbstverständlich gab während dieser 10 Lagertage noch jede Menge mehr zu erleben Zum Beispiel ein als Pilgerfahrt angelegter Hajk, bei der sich die Sippen während zweier Tage aufmachten die landschaftlich beeindruckende Gegend um Koblenz samt ihren gastfreundlichen Bewohnern und ihren baulichen Schätzen zu erkunden. Mit Rucksack, Schlafsack, Isomatte und Co schafften es einige wenige zwar nur bis an den nahegelegenen Rhein oder ein Freibad. Der überwiegende Teil aber machten Bekanntschaft mit der warmherzigen Gastfreundschaft der Rheinländer und erfuhren in Wohnzimmern, auf Veranden oder in Gartenlauben bei Kaffee, Kuchen, Saft und Snacks viel über Geschichte und Kunst der Gegend aber auch Wissenswertes und Geschichten der Landschaft zwischen Rhein und Mosel.

Integration und Freundschaften

Bei der Rückkehr von der Pilgerfahrt fiel eine Sippe aus Ingolstadt besonders auf. Singend kam sie durchs Lagertor; mittendrin ein elektrischer Rollstuhl, in dem passend dazu eifrig geflötet wurde. David, der flötenspielende Rollstuhlfahrer leidet an fortgeschrittener Muskeldystrophie; sein Körper ist klein und zerbrechlich, die Finger zart und dünn. Nachts muss er beatmet werden, aber seine Mitsipplinge kümmern sich rührend um ihn; sie heben ihn in den Rollstuhl, schieben ihn auf das behindertengerechte Klo und helfen ihm wo sie können. Ohne sie hätte David keine Chance ein solches Lager mitzuerleben - mit ihnen genießt er jede Minute und ist überall dabei. Integration und Freundschaften bieten faszinierende Möglichkeiten im Rahmen des Pfadfinderseins. Erwähnenswert sind aber auch die "normalen" Freundschaften die während des Lagers entstanden. Da diskutierten Pfadfinder aus Itzehoe mit solchen aus Stuttgart oder Essen am nächtlichen Lagerfeuer und tauschten wertvolle Erfahrungen aus. Pfadfinderinnen aus Quedlinburg und Neu-Anspach tauschten Adressen mit Pfadfindern aus Welzheim und Hamburg - ob da wohl noch mehr daraus wird? Auf jeden Fall entstehen so wertvolle Impulse für ein Verständnis zwischen Jugendlichen aus Ost und West , Nord und Süd. Markt und Möglichkeiten Den Abschluß bildete ein Markttag zu dem jede Sippe - selbstverständlich in keltischen Kostümen - einen Marktstand gestaltete. Unglaublich was die Sippen zum Teil schon vor dem Lager zu Hause vorbereitet hatten und auf diesem Markt anboten. Komplette, authentisch wirkende, keltische Gaststätten entstanden da; nicht immer ganz authentisch die kulinarische Spezialitäten vom keltischen Döner über von den Römern abgeschaute Holzofenpizza bis hin zum "kalten Kelten", der sich als besonders liebevoll zubereitete Speiseeiskreation erwies; Entspannungsoasen luden ein sich massieren, pflegen, verwöhnen und behandeln zu lassen - wohl die Vorläufer unserer heutigen Wellnessoasen; ein Tatoo-Studio in dem man oder frau sich mit keltischen Ornamenten am Körper bemalen lassen konnte; sogar eine in einer Kohte integrierte Dampfsauna funktionierte tadellos. Die Aufzählung könnte noch eine Weile fortgesetzt werden. Ein erfahrener Altpfadfinder, der solche Markttage schon auf vielen internationalen Lagern erlebt hatte, lies sich bei der Prämierung der besten Marktstände gar zu der Aussage hinreißen, dass er eine solche Vielfalt bisher noch nie erlebt habe.

Klingt nach jeder Menge Superlativen - und die gab es auch. Bundeslager sind einfach pfadfinderische Höhepunkte, die es ähnlich einer Olympiade im Sport nur alle paar Jahre zu erleben gibt. Glücklich wer dabeisein konnte. Und wie all die Bundeslager vorher waren sich alle am Ende einig: Es war wieder einmal das beste Bundeslager aller Zeiten.

Ein Artikel von Ernst (kibbo) Mehleit