Foto: Rike Danneberg

Zu zweit gen Osten

Der Slowenienfahrt zweiter Teil

Wir sind müde, es regnet ununterbrochen und wir stapfen im Stockdunkeln schwitzend einen steilen Berg hoch. War es wirklich so eine gute Idee, malu und die anderen acht Reformarten ohne uns gen Heimat fahren zu lassen und dann zu zweit eine weitere Woche in Slowenien auf Fahrt zu gehen? Als wir gegen 22 Uhr im Regen mitten im Wald die Plane aufspannen, auf dem sich als reichlich uneben herausstellenden Untergrund eine unruhige Nacht verbringen, es am nächsten Morgen immer noch regnet und der Kocher seine Mitarbeit am Frühstück verweigert, sind wir uns da nicht so sicher. Ohne die anderen fehlt irgendwie etwas Entscheidendes.

Da wir an der Situation nichts ändern können, beschließen wir, das Beste daraus zu machen, brechen die Zelte ab, frühstücken im Gehen zwei Äpfel und beginnen auf einem Weg, der sich unsicher zu sein scheint, ob er nicht doch lieber ein Bach wäre, den beschwerlichen Abstieg zur Bushaltestelle am Bleder See. Von hier aus bringt uns der schön warme Bus nach Ljubljana und dann eine Bimmelbahn zum Bauernhof Pr' Krač in Dolsko. Unsere Portaner Pfadifreunde haben uns erzählt, dass man hier bestens im Heu schlafen kann, und wir brauchen dringend etwas Zeit zum Trocknen, Erholen und eine warme Dusche. All das bekommen wir – und noch dazu frischgepressten Apfelsaft. Die Nacht im Heu ist angenehm warm und weich und so sind wir am nächsten Tag bereit, unsere Ruhepause zu unterbrechen, schließlich wollen wir die Gelegenheit nutzen und die slowenische Hauptstadt Ljubljana erkunden. Es liegt sicherlich nicht nur am Sonnenschein, aber wir erleben Ljubljana als wirklich sehr schön und einen Besuch wert. Wir schließen uns einer Free Walking Tour an und erwischen als Guide eine ehemalige Pfadfinderin, die uns nicht nur jede Menge interessante Dinge über die Stadt und Slowenien erzählt, sondern mit der wir uns auch über Pfadfinder in unseren beiden Ländern austauschen können.

Foto: Rike Danneberg

Foto: Rike Danneberg

Foto: Lotte Frank

Nach einer weiteren Nacht im Heu sind wir bereit, weiterzuziehen. Die Julischen Alpen waren zwar wunderschön, uns steht der Sinn aber nicht mehr nach Regen und Temperaturen im einstelligen Bereich, und so wenden wir uns dem slowenischen Osten zu, der uns mit besseren Wetteraussichten lockt. Wie gut, dass Neu-Anspach dort mit Šentjur nicht nur eine Partnerstadt hat, sondern wir dank Anna auch die Kontaktdaten für den dortigen Pfadfinderstamm. Das Ziel steht damit fest und auch der Startort für unsere Wanderung nach Šentjur ist leicht gewählt: Wir nehmen einfach den ersten mit der Bahn erreichbaren Ort, der auf der westlichen Seite unserer Wanderkarte für die Region zu sehen ist: Trbovlje. Der Ort besticht nicht gerade durch Schönheit (was auch nicht zu erwarten war bei einer Stadt, die sich rühmt, den höchsten Schornstein Europas zu beherbergen), aber das ist egal, wir wollen ja schnellstmöglich hinauf ins Save-Bergland.

Bei strahlendem Sonnenschein stapfen wir mit unseren schweren Rucksäcken bergan, werden aber dafür mit einer wunderschönen Aussicht auf die umliegenden herbstlich bewaldeten Hänge, saftig grüne Wiesen und kleine Höfe (scheinbar alle ausgestattet mit ein paar Apfelbäumen, riesigen Kürbissen und ein paar Weinstöcken) belohnt. Und wenn uns die Kraft doch mal verlässt, gibt es ja immer noch Motivationsschokolade. So erreichen wir dann auch irgendwann recht platt, aber glücklich, den immerhin 1120 m hohen Gipfel des Mrzlica. Für die Nacht fragen wir mal wieder bei netten Slowenen nach einem Unterschlupf und bekommen nicht nur diesen, sondern sogar eine warme Suppe und am nächsten Morgen Frühstück mit Rührei auf der Terrasse in der Sonne serviert.

Foto: Lotte Frank

Foto: Rike Danneberg

Foto: Rike Danneberg

Auf und ab bei herrlichem Wetter durch diese wunderschöne Gegend führt uns der Weg weiter gen Osten. Wir scheinen die einzigen Fremden hier zu sein und scheinbar klingt unser „Dober dan!“ schon so professionell, dass jeder Zweite, der uns begegnet, gleich ein ausführliches Gespräch auf Slowenisch mit uns beginnt, das unsere Sprachkenntnisse (ca. 10 Worte) leider stark übersteigt. Obwohl die Leute hier so nett sind, ist uns nach einer Nacht im Wald zu Mute und wir quartieren uns in einem von der Größe her genau passenden Hochsitz ein, während hinter den Bäumen strahlend hell der Vollmond aufgeht.

Am nächsten Tag erreichen wir nach einer recht kurzen Etappe samt Abstecher auf den Aussichtsturm des Resevnas schließlich Šentjur und ruhen erst einmal ausgiebig unsere müden Beine aus, bevor wir abends mit den Pfadfindern des Ortes zusammentreffen, die ausgerechnet an diesem Wochenende ihr Jahresplanungstreffen haben. Bevor sie bis nachts um 1 Uhr über ihr Programm fürs nächste Jahr nachsinnen, ist aber viel Zeit für eine Lagerfeuerrunde mit uns, samt Würstchen, Schokobananen, Austausch zu Pfadi-Traditionen und lernenswerten Wörtern in beiden Sprachen. Alle gemeinsam übernachten wir im Pfadfinderheim.

Foto: Lotte Frank

Foto: Rike Danneberg

Foto: Rike Danneberg

Am nächsten Morgen – unserem letzten in Slowenien – frühstücken wir zusammen und nutzen das schöne Wetter dann noch für ein paar Gruppenfotos und Gruppenspiele, bevor es Abschied nehmen heißt. Wir beschließen, in Kontakt zu bleiben, und machen uns auf den Weg nach Ljubljana, wo wir den Nachmittag und Abend verbringen wollen. Auf altbekannte Weise verabschiedet sich Slowenien mit viel Regen von uns und so verbringen wir zum wiederholten Male diverse Stunden unter Bahnhofsdächern. So fällt uns der Abschied nicht ganz so schwer. Als wir den Nachtzug gen Heimat besteigen, haben wir jede Menge tolle Erinnerungen im Gepäck an die beiden Fahrtenwochen in Slowenien. Und jede Menge Vorfreude aufs eigene Bett, eine warme Dusche und … natürlich die nächste Fahrt!

Ein Artikel von Rike Danneberg