Foto: Alexej Kraiker

Go West! Auf dem Oregon-Trail unterwegs gen Westen

Ein Bericht vom Relami 2017

Es ist ein sonniger Montag im Jahr 1848, als sich die Bevölkerung von Independence, Missouri vor dem örtlichen Saloon, dem Falcon’s Inn, versammelt und den Worten John Henry Jacobsons und seiner Frau Rachel lauscht. „Wer will mit uns und unserem Planwagen-Treck im Frühjahr nach Westen ziehen, in das kaum besiedelte Oregon-Territorium?“ Es ist ohne Frage eine abenteuerliche und gefährliche Reise, auf die sich die beiden gemeinsam mit ihren Scouts, dem Trapper Nate und seiner indianischen Frau Chipeta, begeben wollen. Trotzdem ist vielen der Umstehenden klar: Wir ziehen mit! Wo sonst gibt es so viel freies Land zum Siedeln und die Möglichkeit, sein eigener Herr zu sein?

„Go West“ lautete das Motto, unter dem sich etwa 160 Pfadfinder der Region Mitte Anfang August auf dem Zeltplatz in Westernohe zum Regionslager der Region Mitte zusammengefunden hatten. Nachdem an den beiden Tagen zuvor die Schwarzzelte und Kochtische aufgestellt worden waren und das Lager bereits mit einem Gottesdienst und dem von den Issumern gestalteten Eröffnungsabend gestartet war, stand an diesem Tag der Markttag an: Das Lager verwandelte sich in die Kleinstadt Independence und die Pfadis zogen, als Cowboys oder Siedler verkleidet, durch die Zeltstraßen, kosteten das in den einzelnen Stämmen angebotene Essen, übten sich im Bogenschießen oder Lassowerfen, knüpften Armbänder, wuschen Gold oder nahmen an der Cowboy-Challenge teil.

Foto: Alexej Kraiker

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Unwetter gut überstanden

Und schon bevor sich der Treck auf den Weg gen Westen machte, wurde es an diesem Montag sehr abenteuerlich: Mehrere starke Unwetterfronten zogen am späten Abend und in der Nacht über den Westerwald, sodass das Lager prophylaktisch evakuiert wurde und die Teilnehmer die Nacht in der Kapelle beziehungsweise in der Merkzweckhalle auf dem Platz verbrachten. Gott sei Dank hinterließen die Unwetter abgesehen von drei völlig versumpften Jurten keine weiteren Spuren und das Lager konnte – mit einigen spontanen Änderungen des Zeitplans – seinen geplanten Lauf nehmen.

In der ersten Spielphase des Großen Spiels rüsteten sich die Sippen für den Treck nach Westen, deckten sich mit Planwagen und Vieh ein und verdienten sich bei den unterschiedlichsten Tätigkeiten das dafür notwendige Geld. Am Mittwoch dann ging es tatsächlich los. Zwar nicht mit Planwagen und Pferden, sondern zu Fuß, aber auch so machten sich die Sippen auf den Weg, denn das Hajk stand an: An verschiedenen Stationen wurde der Weg ins Oregon-Territorium nachempfunden. Mal musste ein reißender Fluss überwunden werden, mal war die Suche nach Heilkräutern angesagt oder die Wasservorräte mussten nach einer Dürrephase aufgefüllt werden. Und natürlich waren die ganz normalen Herausforderungen jedes Hajks zu meistern: den richtigen Weg finden, einen Schlafplatz suchen und auf dem Feuer das Abendessen zubereiten.

Tatsächlich kehrten alle Sippen am nächsten Tag wohlbehalten und pünktlich zur Andacht zurück. Die hatte – wie alle Andachten des Lagers und auch der Gottesdienst am Sonntag – den Auszug der Israeliten aus Ägypten, die 40-jährige Wanderung durch die Wüste und den Einzug in das verheißene Land zum Thema und wurde vom Lager-Lobpreis-Team mit einigen Liedern eingeleitet. Anschließend vertieften die einzelnen Sippen den Input der Andachten in ihrer Kleingruppenzeit.

Foto: Alexej Kraiker

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Überfall bei Nacht

In der Nacht nach dem Hajk waren die Sipplinge gerade in den Schlafsäcken verschwunden, als ein Indianerüberfall sie wieder aus den Betten holte. Nachdem einer der Treckteilnehmer den örtlichen Indianerstamm provoziert hatte, waren mehrere Kinder entführt worden und mussten von ihren Sippen befreit werden. Am nächsten Morgen trafen sich dann der Treckleiter und Häuptling Rote Wolke zu einem Versöhnungsgespräch und rauchten gemeinsam die Friedenspfeife. Die Pfadfinder hingegen hatten keine Ruhe, sondern mussten sich auch in der letzten Spielphase noch bewähren und als Start in das Leben in der neuen Heimat nach Gold, Vieh und Fellen suchen.

Am Freitagabend neigte sich das Lager dann schon dem Ende entgegen, doch mit dem Bunten Abend stand noch einmal ein richtiger Höhepunkt an: Alle anwesenden Stämme hatten ihren Beitrag geleistet und boten Liedbeiträge und Sketche dar, nahmen das Publikum in Spiele mit hinein oder schenkten heißen Tschaj aus. Der Gesang durfte natürlich auch nicht fehlen. So erschallte an diesem Abend neben so manchem Pfadfinderklassiker auch das Lagerlied, das für viele in den letzten Tagen zum Ohrwurm geworden war, noch einmal durch das Rund der von Fackeln erhellten Arena. Dank des gut gefüllten Programms war es schon spät, als die Lagerteilnehmer an diesem Abend in ihre Schlafsäcke krochen.

Trotz der kurzen Nacht ging der Abbau am nächsten Tag zügig und – wofür alle sehr dankbar waren – trocken vonstatten. Nach dem Abschlusskreis machten sich die ersten der Stämme auf den Heimweg, während die anderen noch die letzten Kohten abbauten und das Material verpackten. Zurück bleiben jede Menge Erinnerungen an acht spannende Tage, neu geknüpfte oder aufgefrischte Freundschaften, Dankbarkeit für die Bewahrung vor allem in der Unwetternacht und natürlich der Ausblick auf das Relami 2021!

Ein Artikel von Tina & Rike Danneberg